Transnationale Listen – Zweitstimme

Einführung eines europaweiten Wahlkreises

Ein Kernpunkt des Vorschlags für eine EU-Wahlrechtsreform ist die Einführung sogenannter transnationaler Listen. Auf einer solchen gesamteuropäischen Liste würden Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt, die europaweit für eine Fraktion des Europäischen Parlaments ins Rennen gehen. Für die Umsetzung solch gemeinsamer Listen müsste ein neuer europaweiter Wahlkreis geschaffen sowie eine Zweitstimme für Europawahlen eingeführt werden. Bislang können die Bürgerinnen und Bürger nur eine Stimme nur für nationale Parteien und Kandidierende abgeben. Laut Vorschlag des Europäischen Parlaments soll aus dieser europaweiten Liste am Ende auch der Kommissionspräsident hervorgehen. Wie könnten solche transnationalen Listen konkret ausgestaltet werden? Wie wie viele Sitze sollen darüber vergeben werden?

Spitzenkandidatenprinzip

Was hat es mit dem Spitzenkandidatenprinzip bei Europawahlen auf sich?  Warum kam es bei der letzten Europawahl nicht zum Tragen? Sollte es künftig fest verankert werden?

Spitzenkandidatenprinzip

 

Sperrklausel

Wie steht es um eine Sperrklausel bei Europawahlen? Wann wurde sie in Deutschland abgechafft? Wie steht es um die Aussichten einer künftigen Einführung einer 3,5- Prozenthürde für größere EU-Staaten?

Sperrklausel

 

EU-Wahlsystem

Wie ist das Wahlsystem bei den Wahlen zum Europäischen Parlament derzeit geregelt? Wie ist die aktuelle Sitzverteilung?

Wahlsystem

EU-Wahlrecht

Wie ist das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament derzeit geregelt? Wie wird gewählt?

Wahlrecht

Was sind transnationale Listen?

Nationale Listen sind uns von nationalen Wahlen bekannt. Auf diesen Listen werden die zur Wahl stehenden Parteien beziehungsweise Kandidatinnen und Kandidaten eines Landes aufgeführt. Auch bei der Europawahl gibt es bislang nur nationale Listen, auf denen ebenfalls nur Kandidaten jenes Landes aufgelistet werden, in dem die Europawahl durchgeführt wird. Diese sind größtenteils auch nur der Wählerschaft des eigenen Landes bekannt, repräsentieren ihre nationale Partei und führen auch nur auf nationaler Ebene Wahlkampf.

Mit der Einführung von transnationalen Listen könnte sich dies ändern. Auf solchen gesamteuropäischen Listen würden Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt, die nicht für eine nationale Partei in den Wahlkampf ziehen, sondern für eine Fraktion im Europäischen Parlament. Demnach müssten diese Kandidierenden auch in ganz Europa Wahlkampf betreiben, da sie in allen Mitgliedstaaten gewählt werden können bzw. gewählt werden wollen. Die deutsche Wählerschaft könnnte somit beispielsweise auch französische, spanische oder finnische Abgeordnete wählen.

Nach oben

Wie könnten transnationale Listen konkret aussehen?

Laut Europäischem Parlament sollen europäische Parteien oder Koalitionen nationaler Parteien transnationale Wahllisten vorschlagen, die von ihrem bevorzugten Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission angeführt werden. Die Kandidatinnen und Kandidaten auf den Listen sollen dabei gleichermaßen aus großen, mittleren und kleineren Mitgliedstaaten in abwechselnder Reihenfolge aufgestellt werden. Sie sollen aus mindestens 14 EU-Ländern stammen. Das Europäische Parlament schlägt ferner vor, die Listen nach dem Reißverschlusssystem zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern zu besetzen, oder Quoten einzuführen.  Am Ende sollen über diese gesamteuropäischen Listen insgesamt 28 Mandate vergeben werden, zusätzlich zu den bisherigen 705 Sitzen des EU-Parlaments.

Einführung eines europaweiten Wahlkreises und einer Zweitstimme

Gewählt würden die europaweiten Kandidatinnen und Kandidaten über gemeinsame Listen in allen EU-Staaten. Hierfür müsste ein neuer europaweiter Wahlkreis geschaffen und die Zweitstimme neu eingeführt werden. Das Wahlverfahren müsste hierfür in allen Mitgliedstaaten gleich sein. Dadurch hätte auch jede für die transnationale Liste vergebene Stimme gleich viel Gewicht.

Die Wählerinnen und Wähler könnten also nicht nur ihr Kreuz bei den national aufgestellten Kandidaten machen, wie es bislang der Fall ist, sondern europaweite Kandidaten wählen. Und zum Kommissionspräsident würde dann letztendlich der Spitzenkandidat jener Partei gewählt, die im europaweiten Wahlkreis die meisten Stimmen erhalten hat. Zudem sollen aus den Listenkandidaten offenbar nach Vorstellung des Europäischen Parlaments auch die EU-Kommissare besetzt werden.

Offene oder geschlossene Listen?

Die gesamteuropäischen Listen würden von den europäischen Fraktionen aufgestellt, die dann in der ganzen EU wählbar sind. Im Einzelnen gibt es für diesen Ansatz unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten, auf die es sich noch zu einigen gälte. Noch unbeantwortet ist etwa auch die Frage, ob es grundsätzlich offene oder geschlossene Listen geben soll. Im Falle offener Listen würde die Möglichkeit bestehen, nicht nur die Liste einer Partei anzukreuzen, sondern auch einzelnen Kandidaten sogenannte Vorzugsstimmen zu geben. Ins Parlament würden dann nicht zwangsläufig  die Kandidaten an der Spitze der Liste einziehen, sondern diejenigen mit den meisten Vorzugsstimmen. Durch ein solches System offener Listen würde sich der politische Einfluss von den Parteien auf die Wähler verschieben, die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste würde an Bedeutung verlieren und das Problem der sicheren Sitze würde reduziert.

Kritiker offener Listen werfen ein, dass durch diese Vorzugsstimmen nationale Parteien nur noch versuchen müssten, ihre eigenen Kandidaten irgendwo auf der Liste unterzubringen, um sich dann auf einen Vorzugsstimmenwahlkampf zu konzentrieren. Außerdem könnten sich die Wählerinnen und Wähler dazu geneigt fühlen, Vorzugsstimmen vor allem an Kandidaten aus ihrem eigenen Land zu vergeben, da diese ihnen vertrauter sind. Kandidaten aus kleineren Mitgliedstaaten hätten dadurch einen strukturellen Nachteil.

Pro und Contra

Die proeuropäischen Fraktionen im Europäischen Parlament erwarten sich von der Einführung transnationaler Listen mehr Bürgernähe, da die  künftig in einer gesamteuropäischen Wahl direkter darüber mitbestimmt werden könnten, wer die führenden Positionen in der EU erhält. Ein Zweistimmensystem mit unionsweiten Listen könnte die Demokratisierung der Europäischen Union wesentlich voranbringen. In dieser Einschätzung sind sich die meisten im EU-Parlament vertretenen deutschen Parteien einig. Mit der Einführuing eines zusätzlichen europaweiten Wahlkreises würde der Charakter einer gemeinsamen Europawahl gestärkt. Die Idee transnationaler Listen war auch ein Vorschlag des EU-Bürgerdialogs im Rahmen der „Konferenz zur Zukunft Europas“.

Kritiker bemängeln hingegen, dass bei einer relativ niedrigen Anzahl von 28 Sitzen der Hinzugewinn hauptsächlich symbolischer Natur wäre. Auch würden solche Listen eine Wahl letztendlich undemokratischer machen, da die Bürgernähe fehle, wenn man „fremde“ Kandidierende aus anderen Ländern wählen würde und der persönliche Bezug fehle. Dadurch würden die Gräben zwischen dem Europäischen Parlament und den Bürgern sogar noch vertieft.

Ob Reformen in Richtung transnationaler Listen tatsächlich kommen werden bleibt ungewiss. Bei der anstehenden Europawahl 2024 werden sie jedenfalls noch nicht zum Zuge kommen. Zunächst müssten auf Ebene des EU-Ministerrats alle Mitgliedstaaten einer Wahlrechtsreform einstimmig zustimmen. Danach müssten die Mitgliedstaaten das neue Wahlrecht in nationales Recht umsetzen. Da sich bislang darüber keine Einigung unter den Mitgliedstaaten abzeichnet, wird eine mögliche Einführung allenfalls zur Europawahl 2029 anstehen.

Nach oben

Linksammlung

Quellen & weitere Infos

Lesen Sie weiter....

Unsere Europa-Portale

Europa

Wissen und Unterrichtsmaterialien

Wie ist die EU aufgebaut? Welche Organe und Institutionen spielen eine tragende Rolle? Welche Länder gehören zur EU? Mit welchen Herausforderungen beschäftigt sich das europäische Bündnis derzeit? Und wo finden Lehrkräfte Unterrichtsmaterialien zum Thema Europa? Unser Europa-Portal liefert Informationen und Materialien.

Europa - Wissen und Materialien

Osteuropa

Politische Landeskunde

Welche Staaten gehören zu Osteuropa? Was passierte nach der Auflösung der Vielvölkerstaaten Sowjetunion und Jugoslawien? Wo kommt es zu Konflikten? Welche Länder gehören inzwischen zur EU? Informationen über die Landeskunde sowie aktuelle politische Entwicklungen zu rund 25 Ländern der Regionen Baltikum, Ostmitteleuropa, Südosteuropa sowie den Staaten der Östlichen Partnerschaft.

Infoportal östliches Europa

Wahlen

Europawahl 2024

Wie funktioniert das europäische Wahlsystem? Welche Reformen stehen zur Debatte?  Wer wird bei einer Europawahl überhaupt gewählt? Welche Parteien treten an, und mit welchen Wahlprogrammen? Wer liegt in Umfragen vorne? Unser Wahlportal liefert alle wichtigen Informationen zur Europawahl 2024.

Europawahl 2024

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.