EU-Wahlrechtsreform

Das Europäische Parlament hatte im Mai 2022 einen Gesetzesvorschlag für eine Reform des Wahlrechts auf den Weg gebracht. Der Vorschlag bezieht sich auf eine Stärkung des Spitzenkandidatenprinzips, die Einführung einer Zweitstimme, mit der über länderübergreifende Wahllisten europäische Kandidaten gewählt werden können, sowie die Einführung einer 3,5-Prozenthürde in den bevölkerungsreichsten EU-Staaten. Auch ein in allen Ländern einheitlicher Wahltag am 9. Mai wurde anvisiert, eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und eine geschlechterparitätische Besetzung von Wahllisten. Jedoch werden die meisten Vorhaben bei der anstehenden Europawahl im Juni 2024 nicht zum Zuge kommen können, da sich unter den Mitgliedstaaten bis dahin keine Einigung darüber erzielen lässt. 

Wahlsystem

Wie ist das Wahlsystem bei den Wahlen zum Europäischen Parlament derzeit geregelt? Wie ist die aktuelle Sitzverteilung?

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Wahlrecht

Wie ist das Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament derzeit geregelt? Wie wird gewählt?

Wahlrecht

Der Wunsch nach mehr Demokratie in der Europäischen Union wird schon seit vielen Jahren geäußert und wurde auch jüngst auf der„Konferenz zur Zukunft Europas" nochmals deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich ein größeres Mitspracherecht und möchten insbesondere auch mehr Einfluss darauf haben, wer die Spitzenpositionen in der Europäischen Union bekommt. Der missglückte Versuch bei der vergangenen Europawahl 2019, gemäß dem Spitzenkandidatenprinzip auch tatsächlich den Spitzenkandidaten der stärksten Parteienfamilie zum EU-Kommissionspräsidenten zu wählen, sorgte für Unmut. Anstatt Manfred Weber vom Bündnis EVP wurde damals Ursula von der Leyen überraschend Kommissionspräsidentin.

Das Europäische Parlament sieht mit seinem am 3. Mai 2022 eingereichten Vorschlag eine grundlegende Reform der Europawahlen vor. 323 Abgeordnete hatten für den Vorschlag gestimmt, 262 waren dagegen, 48 enthielten sich. In dem Bericht des Europäischen Parlaments heißt es, es sei wichtig, die Europawahlen „in eine einzige Europawahl umzuwandeln, […] im Gegensatz zu 27 separaten nationalen Wahlen, wie die Europawahlen heute organisiert sind“.

Die meisten der in diesem Vorschlag erwähnten Änderungen der EU-Gesetzgebung zum Wahlrecht werden jedoch bei der anstehenden Europawahl im Juni 2024 nicht zum Zuge kommen, da sich in den Mitgliedstaaten bis dahin keine Einigung erzielen lässt. Aktualisierungen des Europäischen Wahlakts unterliegen einem besonderen Beschlussfassungsverfahren. Nachdem das Europäische Parlament einen Vorschlag eingebracht hat, kann der Rat der Europäischen Union diesen noch ändern und muss den Text einstimmig annehmen. Alle 27  EU-Mitgliedstaaten müssen somit die Bestimmungen im Rat genehmigen, bevor sie in Kraft treten können. Anschließend müssten auch alle nationalen Parlamente der EU-Staaten das neue EU-Recht ratifizieren.

Nun liegen die Vorschläge auf dem Tisch. Doch damit sie auch Realität werden könnten, müssten alle 27 Mitgliedstaaten einer Wahlrechtsreform im Rat der Europäischen Union zustimmen. Die Vorschläge stoßen jedoch in einigen Mitgliedstaaten auf Gegenwind.. Grundsätzliche Bedenken haben Länder wie Ungarn, denen an einer weiteren Demokratisierung der Europäischen Union wenig gelegen ist.

Wie bereits eine erste Debatte über die Reformvorschläge im Oktober 2022 gezeigt hat, stößt das vom Europäischen Parlament betriebene Ansinnen, das Wahlrecht grundlegend zu ändern wie erwartet auf einigen Widerstand. Besonders umstritten sind europoweite Listen, auf denen laut Reformvorschlag die Spitzenkandidaten der Parteien künftig kandidieren sollen. Frankreich und Deutschland stimmten dafür. Zehn Staaten sprachen sich gegen eine solche Umsetzung aus. Grundsätzliche Bedenken was eine Reform des Wahlrechts anbelangt haben Länder wie Ungarn, denen an einer weiteren Demokratisierung der Europäischen Union wenig gelegen ist.

Gegen die Einführung einer Prozenthürde gibt es in vielen Ländern erheblichen Gegenwind, müssten doch Vertreter kleiner Parteien um ihre Mandate bangen. Und auch gegen den Vorschlag, den Wahltag in allen Ländern auf den Europatag zu legen, haben sich einige Mitgliedstaaten ausgesprochen. Traditionell finden Wahlen bevorzugt an einem Sonntag statt, davon abzurücken sind viele Länder nicht gewillt. Damit rückt eine Reform des Europawahlrechts abernmals in weitere Ferne, eine Umsetzung zur Europawahl 2024 wird kaum möglich sein.

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Spitzenkandidatenprinzip

Spitzenkandidaten gibt es bei den verschiedensten Wahlen: bei den Landtagswahlen und der Bundestagswahl in Deutschland, bei nationalen Wahlen in vielen anderen Ländern und seit 2014 auch bei der Europawahl. Gemäß dem Spitzenkandidatenprinzip bei Europawahlen soll der Posten des Kommissionspräsidenten an den Spitzenkandidaten der Gewinnerpartei gehen. Nachdem das Modell bei der letzten Europawahl umgangen wurde, ist es Gegenstand der Debatte um eine Wahlrechtsreform. Das Europäische Parlament sprach sich in seinem Vorschlag vom Mai 2022 für eine verbindliche Verankerung und Ausweitung des Prinzips aus. Inwiefern könnte das Spitzenkandidatenprinzip künftig gestärkt werden?  Sollte etwa der Posten des EU-Kommissionspräsidenten über einen neuen europaweiten Wahlkreis mit der Einführung einer Zweiststimme direkt von den EU-Bürgerinnen und -Bürgern gewählt werden können? Und sollten drüber hinaus auch die EU-Kommissare der einzelnen Ressorts über diese europaweiten Listen bestimmt werden?

Weitere Informationen über das EU-Spitzenkandidatenprinzip

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Zweitstimme und Transnationale Listen

Ein Kernpunkt des Vorschlags für eine EU-Wahlrechtsreform ist die Einführung sogenannter transnationaler Listen. Auf einer solchen gesamteuropäischen Liste würden Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt, die europaweit für eine Fraktion des Europäischen Parlaments ins Rennen gehen. Für die Umsetzung solch gemeinsamer Listen müsste ein neuer europaweiter Wahlkreis geschaffen und die Zweitstimme für Europawahlen eingeführt werden. Bislang können die Bürgerinnen und Bürger nur eine Stimme abgeben – und dies auch nur für nationale Parteien und Kandidierende. Laut Vorschlag des Europäischen Parlaments soll aus dieser europaweiten Liste am Ende auch der Kommissionspräsident hervorgehen. Wie könnten solche transnationalen Listen konkret ausgestaltet werden? Wie wie viele Sitze sollen darüber vergeben werden?

Weitere Informationen über transnationale Listen

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Sperrklausel – 3,5-Prozent-Hürde in größeren EU-Staaten

Bei Europawahlen gibt es kein einheitliches Wahlsystem. Die grundlegenden Prinzipien der Wahl stehen zwar fest - sie mussallgemein, frei, direkt und geheim sein und in allen EU-Staaten nach der Verhältniswahl ablaufen. Darüber hinaus gestalten jedoch die Mitgliedstaaten die Europawahl unterschiedlich aus. Insbesondere auch in Bezug auf Sperrklauseln gibt es große Unterschiede. In etwa der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten gibt es derzeit überhaupt keine Prozenthürde. In den restlichen Staaten ist die Schwelle wiederum unterschiedlich gesetzt. Was überhaupt ist eine Sperrklausel? Wann gab es in Deutschland eine Sperrklausel bei Europawahlen und wann wurde diese vom Bundesverfassungsgericht gekippt? Wie steht es um die Aussichten einer Wiedereinführung?

Weitere Informationen über die EU-Sperrklausel

 

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Kandidieren ab 18 Jahren – Wählen ab 16

Das Europäische Parlament schlägt vor, das passive Wahlrecht für alle Europäerinnen und Europäer auf 18 Jahre abzusenken. Sprich, zukünftig soll es möglich sein, in allen EU-Staaten ab 18 Jahren für einen Sitz im Europäischen Parlament zu kandieren. Derzeit ist dies in einigen Ländern erst ab 21 Jahren möglich, in Italien sogar erst ab 25 Jahren. In Deutschland lag die Grenze bislang bei 18 Jahren.

Zudem fordern EU-Parlamentarier, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Momentan ist die Stimmabgabe zur Europawahl ab einem Alter von 16 Jahren nur in Belgien, Österreich und auf Malta möglich. In Griechenland dürfen Jugendliche ab 17 Jahren wählen gehen. In Deutschland hat der Bundestag im November 2022 den Weg für eine Absenkung des Wahlalters frei gemacht. Bei der Europawahl 2024 dürfen nun junge Menschen in Deutschland ab 16 Jahren wählen gehen. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Länder nachziehen werden.

Damit wird auch auf europäischer Ebene den Interessen junger Menschen mehr Gehör verschafft, was ebenfalls ein großes Anliegen der Teilnehmenden der „Konferenz zur Zukunft Europas" war.

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Europaweiter Wahltag am 9. Mai

Bislang finden die Wahlen zum Europäsichen Parlament etwas zeitversetzt an unterschiedlichen Tagen statt. Damit die Europawahl zu einer gemeinsamen europäischen Wahl wird und nicht mehr zersplittert in 27 Mitgliedstaaten an unterschiedlichen Tagen abgehalten wird, schlägt das Europäische Parlament  den Europatag am 9. Maials gemeinsamen Wahltag vor.

Idealerweise sollte der 9. Mai in den EU-Staaten darüber hinaus auch zum Feiertag erklärt werden, so das Europäsche Parlamet. Bereits 2019 hatte es den Mitgliedsaaten vorgeschlagen, „einen gemeinsamen europäischen Feiertag am 9. Mai zu begründen, damit das Gefühl der Zugehörigkeit zu Europa gestärkt und Raum für Bürgerbewegungen und -aktivitäten geschaffen wird“. Würden die Bürgerinnen und Bürger der EU-Staaten an diesem Tag dann auch zur Wahl gehen, würde sowohl die Europawahl an sich als auch der Europatag deutllich an Gewicht gewinnen. Die Europawahl auf den Europatag zu legen ohne ihn in allen Ländern zum Feiertag zu erklären, würde wenig Sinn machen. Ist doch die Wahlbeteiligung bei Europawahlen ohneihin schon nicht hoch im Vergleich zur Beteiligung bei nationalen Wahlen.

Bislang haben jedoch nur Luxemburg und Kosovo den 9. Mai zum Feiertag erklärt.

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Briefwahl

Bislang haben die Bürgerinnen und Bürger nur in einigen Ländern die Möglichkeit, über eine Briefwahl an der Europawahl teilzunehmen. In Deutschland etwa ist eine Briefwahl bereits möglich. Nach dem Vorschlag des Europäischen Parlaments soll künftig in allen EU-Staaten die Möglichkeit bestehen, per Brief vorab zu wählen, auch für Bürger, die in einem Drittland leben. Somit hätten alle den gleichen Zugang zu den Wahlen, insbesondere etwa auch Menschen mit Behinderungen.

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